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Wirbelströme

Wirbelstrom

PROFESSOR DR.-ING. DIETER STEGEMANN

Bei den zerstörungsfreien Prü̈fverfahren gewinnt die Wirbelstromtechnik zunehmend an Bedeutung. Der Grund dafü̈r ist, dass sie eine flexibel einsetzbare Prü̈ftechnik ist und ihre Sonden, normalerweise aus Kupferdraht gewickelte Spulen, sehr anpassungsfähig sind und ohne allzu großen Aufwand hergestellt werden können.

Aus dem täglichen Leben wissen wir, dass es Materialien gibt, die den elektrischen Strom leiten, wie es z. B. bei Kabeln der Fall ist. Diese elektrisch leitfähigen Materialien sind vor allem Metalle wie Kupfer, Messing, Eisen und Stahl. Werden solche Werkstoffe in ein magnetisches Wechselfeld gebracht, so dringt das magnetische Feld in das Material ein und erzeugt in ihm Wirbelströme. „Wirbel“-ströme heißen sie deswegen, weil sie sich in den elektrisch leitenden Werkstoffen normalerweise auf gekrü̈mmten Bahnen bewegen und sich im Rhythmus des erregenden magnetischen Wechselfeldes hin – und her bewegen. Sie haben also in der Tat etwas „Wirbeliges“ an sich, weswegen die Bezeichnung ihr Verhalten anschaulich widerspiegelt. Nun ist der elektrische Strom im Grunde genommen nichts anderes als die Bewegung negativ geladener Elektronen in dem leitfähigen Werkstoff. Das bedeutet, dass sich unsere Wirbelströme im Werkstoff hin und her bewegende Elektronen sind. Im Vergleich mit dem täglichen Leben könnte der Werkstoff eine Großstadt sein, in der sich die Elektronen als Menschen hin und her bewegen. Sich bewegende Menschen bewirken ü̈blicherweise etwas. Ist das bei den Elektronen auch so? Die Antwort lautet: Ja. Durch ihre Bewegung, die einen Strom – den Wirbelstrom – darstellt, erzeugen sie ihrerseits ein magnetisches Wechselfeld, das dem erregenden magnetischen Feld entgegengerichtet ist und es abschwächt.

Dieses von den Wirbelströmen erzeugte magnetische Wechselfeld wird als Sekundärfeld bezeichnet, weil es als Folge des erregenden magnetischen Feldes auftritt. Das erregende magnetische Wechselfeld ist das Primärfeld.

Das primäre magnetische Wechselfeld wird in der Regel mit wechselstromdurchflossenen Spulen erzeugt. Diese sorgen dafü̈r, dass das Primärfeld in den Werkstoff eintritt und die Wirbelströme erregt. Dadurch bewegen sich „erregte“ Elektronen auf gekrü̈mmten Bahnen hin und her. Je höher die elektrische Leitfähigkeit des Werkstoffs, desto besser funktioniert die Wirbelstromerzeugung. Die Wirbelströme ihrerseits sind nicht untätig und erzeugen infolge ihrer Bewegung ein sekundäres magnetisches Wechselfeld, welches das Primärfeld abschwächt und somit außerhalb des Werkstoffs nachgewiesen werden kann. Über das Sekundärfeld kann damit eine Aussage ü̈ber das Verhalten der Wirbelströme im Inneren des Werkstoffs gewonnen werden.
Etwas einfacher haben es da die Großstädte, wo die Überwachung des Verkehrs und der Fußgängerströme mit Videokameras erfolgen
kann. Doch auch das Sekundärfeld kann sehr empfindlich auf Störungen im Werkstoff reagieren und ist deswegen ein geeignetes Instrument zur Kontrolle.

Warum lassen sich Wirbelströme für zerstörungsfreie Prü̈fungen einsetzen?

Wirbelströme sind sich auf gekrümmten Bahnen im Werkstoff hin und her bewegende Elektronen. Diese Elektronen können sozusagen als „Spione“ dienen, ob im Werkstoff alles normal verläuft oder ob es irgendwelche störenden Einflü̈sse gibt. Ein solcher störender Einfluss könnte in einem Metall zum Beispiel ein Riss sein. Fü̈r die sich bewegenden Elektronen wäre das ein großes Hindernis, das ihnen den Weg versperrt, sodass sie einen Umweg suchen mü̈ssten. Im Vergleich zur Großstadt wäre das z. B. eine gesperrte Straße. Wie äußert sich nun ein solches Hindernis im Werkstoff fü̈r die Elektronen?
Im Hindernis kann keine Elektronenbewegung stattfinden und damit existiert auch kein Wirbelstrom an dieser Stelle. Das bedeutet weiterhin, dass am Ort des Hindernisses auch kein sekundäres magnetisches Folgefeld entsteht und als Folge davon findet auch keine Schwächung des primären Erregerfeldes statt. Das bedeutet, dass Fehlstellen in einem elektrisch leitfähigen Werkstoff ü̈ber die Amplitude des aus der Überlagerung von Erregerfeld und Folgefeld resultierenden magnetischen Wechselfeldes detektiert werden können. Sind die Elektronen gezwungen, wegen des Hindernisses einen Umweg zu machen, der eine Extrazeit benötigt, so bedeutet dies, dass im Vergleich zum ungestörten Fall eine Zeitverschiebung zwischen dem primären und dem sekundären Magnetfeld auftritt. Es wird dann von einer Phasenverschiebung zwischen den beiden Feldern gesprochen. Auch diese ist messbar.Zum Auffinden von Fehlstellen im Werkstoff stehen somit die Amplituden und Phasen der von den Wirbelströmen ausgelösten Magnetfeld- veränderungen zur Verfü̈gung. Unterschiedliche Fehlstellen im Werkstoff bewirken logischerweise auch unterschiedliches Verhalten der Wirbelströme und ihrer Signale, womit die Möglichkeit besteht, zwischen verschiedenartigen Fehlstellen zu unterscheiden. So liefern beispielsweise Materialabtragungen oder Wandschwächungen durch Korrosion andersartige Signalverläufe als die schon erwähnten Risse. Aus diesem Grunde kann die Werkstoffprü̈fung mit Wirbelströmen sehr vielseitig eingesetzt werden.

Da bei der Wirbelstromtechnik in der Regel mit Mess-Sonden gearbeitet wird, die normalerweise aus einer Sendespule zur Erzeugung des erregenden Primärfeldes und einer Empfängerspule zur Messung des resultierenden Magnetfeldes besteht, ist die Technik der Sondenherstellung relativ einfach und kostengü̈nstig. Gearbeitet wird mit elektrischen Spannungen und Strömen im Frequenzbereich bis einige Megahertz. Die analogen Signale aus den Sonden werden meistens in digitale Signale umgewandelt, sodass die Wirbelstromsignale gut und schnell auswertbar sind.
Da es sich um elektromagnetische Signale handelt, ist ihre Wirkung sehr schnell, wodurch hohe Prü̈fgeschwindigkeiten erreichbar sind. Die Signale und ihre Verarbeitung und Auswertung erlauben die Erstellung vollständig automatisch arbeitender Wirbelstrom-prüfanlagen zur On-line- oder In-lineprü̈fung von Werkstü̈cken während der Fabrikation.

Quelle:
Der Einsatz von Wirbelströmen
für die zerstörungsfreie Werkstoffprüfung
Dieter Stegemann,
em. ord. Professor Dr.-Ing.
Fakultät fü̈r Maschinenbau
Leibniz Universität Hannover

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